Befehlskette, Netzwerk, Gruppentherapie. Zur Rolle von Künstlerassistenten

Hans-Jürgen Hafner

Vortrag

Do 25. April 2019, 19 Uhr

Die Wahrnehmung von Kunst und Künstler*innen wird immer noch massiv durch traditionelle Vorstellungen von künstlerischer Autorschaft und Originalität geprägt. Daran hat auch die Diskussion über Arbeitsbedingungen im Kunstfeld und die Ausbeutung, die sie strukturell begünstigen, kaum etwas geändert.

Kunst, speziell, wenn sie hoch gehandelt wird und institutionell repräsentiert ist, hat schon aus logistischen Gründen wenig mit der populären Vorstellung alleine und im Schutze künstlerischer Selbstbestimmung vor sich hin arbeitender Künstler*innen, einsamer Genies zu tun. Stattdessen müsste mit Blick auf die Atelierpraxis seit der frühen Renaissance längst klar sein, dass künstlerische Arbeit im engeren Sinne von vielen Händen gemacht, von mehr als einem Kopf dirigiert und in ihrer Bewertung noch von ganz anderen, kaum zu kontrollierenden Faktoren bestimmt wird; und dass Kunst ganz allgemein ein kollektives Produkt auf verschiedenen Ebenen angestrengter Handlungen auf einen ebenso unverbindlichen wie gemeinsam projizierten Horizont hin ist.

Hans-Jürgen Hafner nimmt sich in diesem Zusammenhang einen Aspekt künstlerischer Arbeit vor, der in der Regel ausgeblendet bleibt: den, wie der englische Begriff studio hands treffsicher widerspiegelt, oft unsichtbaren helfenden Händen und namenlosen Kräften, ohne die es die Kunst, wie wir sie kennen, kaum gäbe.

Dezidiert über Künstlerassistent*innen zu sprechen ist gleichwohl ein schwieriges Thema und berührt eine Grauzone. So wichtig es ist – etwa als Kurator*in oder Kunstkritiker*in – danach zu fragen und unbedingt zu respektieren, wer ‚Künstler’ ist, sind die roten Linien mitunter schwer zu ziehen, die die zu einem spezifischen Werk oder einer bestimmten Form der Ausstellung nötigen Entscheidungsfindungen nachvollziehbar, die verschiedenen strukturellen, institutionellen, rollenspezifischen und individuellen Anteile daran sichtbar machen. Auch in der Kunst spiegeln sich die herrschenden Produktionsbedingungen wider – aber auch Persönliches, wie Freundschaften, Beziehungen, Allianzen... oder Kompetenz, Ehrgeiz und Unsicherheit.

Von vielen, heute namhaften Künstler*innen ist mehr oder weniger bekannt, dass sie als Assistent*innen älterer, erfolgreicherer Kolleg*innen gearbeitet haben, mehr oder weniger angemessen entlohnt wurden, in besseren oder schlechteren Beziehungen – auch jenseits bloßer Professionalität – standen.

Der Vortrag begibt sich auf das dünne Eis von gossip, Hörensagen, dem aus der eigenen Erfahrung abgeleiteten Wissen und will Anregungen zum Nachdenken darüber formulieren, ob wir uns nicht eine bessere – die derzeitigen gesellschaftlichen Ungleichheiten nicht nur mimetisch nachbildende – Kunst verdienen könnten, indem wir unsere Erwartungen an Kunst und Künstler*innen an die soziale Wirklichkeit anpassen.